Statement zum FPÖ-Wahlprogramm

Im Zuge der Nationalratswahl hat die Freiheitliche Partei Österreich ein Wahlprogramm
veröffentlicht. Die FPÖ verwehrt sich darin „…gegen permanente Transgender-
Gehirnwäsche, die letztlich nur auf eine Zersetzung unserer gesellschaftlichen Grundlagen
abzielt.“ Und spricht in diesem Zusammenhang von der „Auflösung der auf Binaritä
fußenden gesellschaftlichen und rechtlichen Ordnung“ durch eine angebliche Transgender-
Ideologie. [1] Der Begriff der „Gender-Ideologie“ ist ein rhetorisches Mittel um das trans Sein
als eine Erfindung, eine Ideologie darzustellen und damit den eigenen Standpunkt als
Natürlich bzw. Normal darzustellen. [2] Das von der FPÖ vertretene Ideal einer binären
Gesellschaft bildet aber kaum die Realität wieder und ignoriert queere Geschichte und
queere Existenzen. Trans Menschen sind Menschen, trans Menschen existieren, haben
immer existiert und haben eine Daseinsberechtigung. Jede Minderheit, egal wie klein sie ist,
hat einen Wert und damit auch Rechte verdient. In Österreich gibt es kaum Zahlen [B] dazu,
das gilt jedoch nicht als Beweis für die Argumentation der FPÖ, dass „Die Anzahl jener
Personen, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren wollen“…“ verschwindend
gering.“ sei, sondern zeigt nur wie Unsichtbarmachung von trans Menschen auf struktureller
und institutioneller Ebene (vgl. non binary erasure) stattfindet und die sich die FPÖ zunutze
macht. Mangelnde Sichtbarkeit ist kein haltbares Argument – umfassende Statistiken
würden diese Behauptungen sofort widerlegen. Die FPÖ spricht sich gegen eine
„Frühsexualisierung“ aus und schreibt gleichzeitig in ihrem Wahlprogramm: „Unsere Kinder
müssen die Möglichkeit haben, sich uneingeschränkt und ungestört entwickeln zu können –
auch ihre Sexualität betreffend.“ [1]
Sexuelle Aufklärung ist keine Sexualisierung. Vom Prinzip her hat sich die
Argumentationskette der FPÖ seit Jahrzenten kaum verändert. Schon 2009 forderte die
FPÖ ein Gesetz gegen „zu Homosexualität anspornende Informationen für Minderjährige“.
[3,4] Kinder und Jugendliche werden nicht schwul, lesbisch oder trans, nur weil sie etwas
darüber lernen. Das ist wieder nur ein Versuch verschiedene Lebensrealitäten jenseits der
von der FPÖ propagierten „traditionellen Familie“ abzuwerten. Oft verwendet die FPÖ auch
den veralteten Begriff „transsexuell“, dieser stellt Transidentität als Sexualität dar und ist
schlichtweg falsch.
Im Bezug zu Frühsexualisierung äußerte sich die FPÖ in der Vergangenheit des Öfteren im
Kontext von Drag-Queens [5,6,7,8] und schreibt im Wahlprogramm „Aktionen wie Lesungen
von „Drag Queens“ verunsichern Kinder in ihrer Geschlechtsidentität – diese Transgender-
Propaganda lehnen wir ausdrücklich ab.“ Die FPÖ schert damit Drag und trans Sein erstmal
über einen Kamm. Drag ist nicht dasselbe wie trans Sein. Deshalb hier eine kleine
Definition:
Trans: trans ist eine Person, wenn ihr Identitätsgeschlecht (so wie ich mich selbst
empfinde und fühle) nicht oder nur teilweise mit dem bei der Geburt zugeordneten
Geschlecht durch Dritte (Ärzt*Innen, Geburtshelfende,..) übereinstimmt.
Drag: Drag ist eine Kunstform. Ein Drag Artist ist eine Person, welche sich verkleidet
und Geschlechterstereotype performt bzw. parodiert. [9,10]
Es wird ein Narrativ gesponnen, das Drag als etwas beschreibt, das schlecht ist, unsere
Kinder „frühsexualisieren“ will und Teil einer angeblichen „Transgender-Propaganda ist. Die
Realität bei Drag-Lesungen schaut ganz anders aus, als es die FPÖ darstellt (framing): Eine
verkleidete Person, ein Drag-Artist, liest lediglich aus einem Kinderbuch vor – mehr passiert
da auch nicht. Es geht viel mehr darum, diverse Perspektiven aufzuzeigen und dem
Anderssein Platz zu geben. [11]
Weiters schreibt die FPÖ in ihrem Wahlprogramm: „Wir Freiheitliche setzen uns dafür ein,
die Gesetzmäßigkeiten der Biologie einzuhalten. Wir werden uns daher daher bei den
Sportfachverbänden und Sportvereinen dafür engagieren, dass inter- oder transsexuelle
Athleten nicht bei Frauensport-Wettbewerben antreten dürfen.“
Im Kontext der gerade sehr präsenten Diskussion über die Boxerin Imane Khelif und dem
Symbolfoto, das die FPÖ hier ausgewählt hat (zwei weiblich gelesene Boxerinnen) stellt sich
die Frage ob dieser Absatz auch nur Teil des Wahlprogramms ist, da diese Diskussion
gerade große Wellen schlägt. Das Thema ist komplex und kann nicht so einfach besprochen
werden. Ein wichtiger Kontakt in solchen Angelegenheiten ist zum Beispiel „100% Sport“,
das Österreichische Zentrum für Genderkompetenz und Safe Sport [12]
Trans Femme Fatale, Wien
Anmerkungen:
[A] Trans Femme Fatale ist ein gemeinnütziger Verein und setzt sich für die Rechte von
trans femininen und nichtbinären (AMAB) Personen ein. Ein weiterer Punkt ist die Vielfalt der
geschlechtlichen Identitäten anerkannt zu machen und die Gleichberechtigung – vor allem im
Hinblick auf trans Menschen – durchzusetzen. Der Verein schafft eine Gemeinschaft, in der
Menschen ihre Geschlechtsidentität offen und diskriminierungsfrei leben können.
[B] Es gibt in Österreich keine umfassende Statistik über die Anzahl von trans
Menschen. Bestehende Statistiken erfassen oft nur die Anzahl der Menschen, welche eine
Diagnose lt. ICD10 haben (F64.0) bzw. nur all jene, welche eine Hormontherapie machen
oder „geschlechtsanpassender Operationen“ durchgeführt haben. (zB.:
https://www.sozialversicherung.at/cdscontent/?contentid=10007.846845&portal=svportal)
Dabei ist zu beachten, dass längst nicht jede Person, die sich nicht oder nur teilweise mit
dem bei der Geburt zugeordneten Geschlecht einem Diagnoseprozess unterzieht – der oft
auch mit Stigmatisierung, Pathologisierung und Kosten verbunden sind. Und längst nicht
jede Person die trans ist möchte auch eine Hormonersatztherapie oder Operationen
durchführen. (Weiterführende Links: https://www.hrc.org/resources/get-the-facts-on-gender-
affirming-care)


Quellenverzeichniss:
[1] FPÖ Wahlprogramm zur Nationalratswahl 2024, S13, Langversion
[2] vgl. Julia Serano, “Gender Ideology” Is a Conspiracy Theory – by Julia
https://www.derstandard.at/story/1242317438006/fpoe-fp-schock-will-kinder-vor-
homosexualitaet-schuetzen Serano (substack.com), 07.05. 2024, abgerufen am 04.09.2024
09:29
[3] FPÖ: Verbot „zu Homosexu https://www.derstandard.at/story/1242317438006/fpoe-
fp-schock-will-kinder-vor-homosexualitaet-schuetzen alität anspornender“ Infos |
DiePresse.com, abgerufen am 04.09.2024 10:05
[4] FP-Schock https://www.derstandard.at/story/1242317438006/fpoe-fp-schock-will-
kinder-vor-homosexualitaet-schuetzen will Kinder vor Homosexualität schützen –
Geschlechterpolitik – derStandard.at › dieStandard, abgerufen am 04.09.2024 10:05
[5] https://wien.orf.at/stories/3200076/ , abgerufen am 04.09.2024 10:20
[6] Großangelegte Demo und Gegendemo bei Dragqueen-Lesung in Wien – Panorama –
derStandard.at › Panorama abgerufen am 04.09.2024 10:20
[7] https://www.fpoe-linz.at/tag/dragqueen/ abgerufen am 04.09.2024 10:20
[8] Förderskandal rund um Drag-Queen-Lesung zeigt Dreistigkeit linker Aktivisten – FPÖ
(fpoe-stmk.at) , abgerufen am 04.09.2024 10:20
[9] vgl. https://dictionary.cambridge.org/dictionary/english/drag-artist , abgerufen am
04.09.2024 14:00
[10] vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Drag_(entertainment) abgerufen am 04.09.2024
14:05
[11] vgl. (1) Drag Queen Candy Licious liest Kindern vor. Was passiert bei den
Kinderbuchles https://www.youtube.com/watch?v=R6yxlP6bIA8ungen in Wien? – YouTube,
abgerufen am 04.09.2024 10:20
[12] siehe: https://genderkompetenz-sport.at/genderkompetenz-im-sport/hintergrund/ ,
abgerufen am 04.09.2024 14:22